Kleine Häuser (13): Der kleine Bruder des Cube

Das Auto. Es ist bequem, es wird gekauft, es vermehrt sich. Und es braucht Platz: Platz zum Fahren und Platz zum Stehen. In seinen Anfangstagen steht es an der Straße oder – da es anfangs ein Luxusartikel für Reiche ist, in privaten Garagen. Doch bald wird es zum Massenprodukt. Es wird zum Volkswagen. Der Platz an den Straßen reicht bald nicht mehr aus. Also werden Hochbauten für Autos errichtet – Parkhäuser.

Ella-Trebe-Straße/Washingtonplatz, Berlin-Moabit, 2020

Doch diese Architekturen fressen ebenfalls Raum, den man lieber gewinnbringender nutzen würde. Also geht man – vermehrt etwa seit den 1970er-Jahren – unter die Erde. Und baut Tiefgaragen. Dies ist ein Teil des umfassenden Prozesses der Moderne, technische Infrastrukturen nach unten, ins Unsichtbare zu verlegen, damit oben die Illusion aufrecht erhalten werden kann, der Stadtorganismus sei immer noch derselbe wie früher und nicht die hochtechnisierte Maschine, zu der er in Wahrheit geworden ist. Doch ganz unsichtbar können die Tiefgaragen doch nicht sein. Es braucht Zufahrten, und es braucht Treppen und Aufzüge, um aus der Tiefgarage nach dem Abstellen des Autos herauszukommen. Und die müssen irgendwo an die Oberfläche. Eine neue Bauaufgabe entsteht: Das Tiefgaragenaus- und eingangshäuschen. Meistens sind diese Architekturen belanglose, sterile Würfel – gebaut, um übersehen zu werden. Das Auto soll unsichtbar sein, und auch die Schleuse, an der man zu ihm geht oder von ihm kommt, soll möglichst wenig Aufmerksamkeit erzeugen.

Perforierte Fassadenbleche, 2020

Bei der Tiefgarage für Berlins angeblich klügstes Bürohaus, den verspiegelten, vielfach gebrochenen, 2020 eröffneten „Cube“ unweit des Hauptbahnhofs, gebaut von 3XN aus Dänemark, wollte man sich offensichtlich nicht mit einer banalen Kiste begnügen. Also wurde für den Zugang zum privaten, den Mietern des Cube vorbehaltenen Parkhauses der Würfel für Fahrstuhl, Lastenaufzug und Treppenhaus mit einer durchaus aufregenden Hülle versehen. In das Blech sind unterschiedlich große Löcher gefräst, die im Zusammenspiel mit dem schwarzen Hintergrund eine breite dynamische Kurve ergeben, wobei nicht klar wird, ob hier an Börsenkurse oder Fieberschwankungen gedacht ist. Aber es sieht interessant und anregend aus und zeigt, dass auch solchen Architekturen mehr Gestaltungswille und ein selbstbewussteres Auftreten sehr gut tut.

Kleines Haus und Hauptbahnhof, 2020
Das kleine Haus und der Cube, 2020

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